<< archiv
  folgende >>
 
offene studios westend architektur kunst fotografie laufplan  programm  teilnehmer dokumentation  kontakt
münchen 16.-17.11.02 design neue medien  
    Münchner Merkur, 18.11.02

Nur Teil des Ganzen: Die neuen Kreativen im Westend

Bei "westendstudios 02" betreiben 20 Ateliers Nachbarschaftshilfe

von Arne Franke

Westend ­ Einst präsentierte der Kioskbesitzer seine Kaugummis, Zeitungen und Cola-Dosen in einem Schaufenster an der Parkstraße. Jetzt hängt hier ein prachtvoller Lüster unter dem Wolfgang Gebhard in braunem Cordsakko und dunkellila Hemd steht und sagt: Wir wollen das Westend nicht als neues Künstlerviertel hochreden. Aber dennoch: Als er sich vor mehr als zwei Jahren mit seinem Studio im Ex-Schaufenster niederließ, war er einer der ersten Gestalter, die ins Westend kamen. Jetzt sind es rund zwanzig junge Architekten, Gestalter oder Künstler, die hier arbeiten. Sie schießen wie Pilze aus dem Boden, wie es Gebhard beschreibt.

Und all die präsentieren sich am Wochenende den Münchnern: Bei westendstudios 02 können die Leute schauen, fragen - und bekommen Antworten. Sie schlendern beispielsweise an Gebhards Büro-Schaufestern entlang, sehen den visuellen Gestalter unter dem Lüster und schauen sich seine Arbeiten an.

Derweil geht das normale Westend-Leben weiter. Ein paar hundert Meter entfernt sammeln sich die Mitglieder eines türkischen Vereines unter ihrem Atatürk-Foto. Kleine Geschäfte knipsen die Beleuchtung aus, im Waschsalon drehen sich auch spät abends noch die Trommeln. Keiner der Kreativen will den Bewohnern ihren Lebensraum wegnehmen und ein Elite-Viertel installieren. Nein, sie wollen einfach nur Teil eines Ganzen sein, welches das Westend zu einem besonderen Stadtviertel macht. Und um das zu beweisen, haben sie alle eingeladen.

In den Regalen des Architekturbüros Breining + Geuther stapeln sich die kleinen Gebäudemodelle. Besucherin Alexandra Greiner achtet aber überhaupt nicht darauf. Sie bastelt mit Baukastenmodulen beim Indoor Gardening und schafft sich so ihren Traumgarten. Zumindest in Kleinformat. Mit ihrer Poollandschaft ist sie völlig zufrieden und Begleiter Michael Hannwacker schaut ihr anerkennend über die Schultern. Hausherr Peter Breining macht gleich mal ein Foto, um die Kreativität festzuhalten. Denn vielleicht hilft es dem Architekten einmal weiter.

Auch bei Claire Angelini im Hinterhof der Gollierstraße 32 laufen die Leute durchs Arbeitszimmer. Das Ofenrohr schlängelt sich durch den Raum, ein Stockwerk unter ihr ist Architekt Markus J. Mayer in der Kreativ-WG aktiv. Die Künstlerin zündet sich einen Zigarillo an, den sie formvollendet mit angewinkeltem Arm auf Kopfhöhe hält. Das Westend erinnert Angelini an Berlin. Kein konsumlastiges Pflaster nerve sie, vielmehr sei es eher etwas roh hier und deshalb hervorragend hier für die Seele. Und natürlich die Mieten: In diesem Teil der Innenstadt sind sie noch erträglich.

Deshalb sind so viele Kreative hergezogen. Eigentlich völlig unabhänging voneinander, ohne Mundpropaganda siedelten sie sich an. Irgendwann sahen sie beim Stehitaliener immer die gleichen Gesichter und stellten fest, wie viele tatsächlich wirken. Es könnten noch mehr werden. Wenn alles so kreativ und künstlerisch bleibt. Denn nebenan ist schon eine Unternehmensberatung eingezogen.

zurück